Im Interview: Christa Zeiß
Christa Zeiß gewann im slowenischen Podcetrtek bei den European Senior Championships vom 18.-24. September den Europameistertitel im Dameneinzel und Damendoppel O65. Wir sprachen mit ihr nach ihrer Rückkehr.
Chapeau und herzlichen Glückwunsch. Zweimal Gold, das gelang keinem anderen Starter der 160-köpfigen Deutschen Mannschaft. Die Standardfrage nach großen Erfolgen, wie fühlst Du Dich?
Im Moment happy. Noch habe ich es gar nicht richtig realisiert. Die vielen Menschen, die mich kontaktiert und die sich mit mir gefreut haben, ehemalige Weggefährden, die ihren Schläger schon lange an den Nagel gehängt haben. Da habe ich mich sehr gefreut. Es wäre schön gewesen wenn unser Gerhard Hopp (langjähriger Vereinsvorsitzender der SG Feinmess Suhl – Anm.d.Red.) das noch miterlebt hätte.
Du hattest eigentlich die Pläne zur EM zu fahren schon lange ad acta gelegt, nun bist du doch gefahren. Wie kam es dazu?
Daran sind in erster Linie zwei Personen schuld. Karsten Großgebauer, der selbst am Start war, hat immer wieder gebohrt und gesagt, dass er noch freie Plätze im Auto hat. Zum anderen die Sportfreundin Ilona Frahm aus Niedersachen, die mich schon bei der Deutschen Meisterschaft gefragt hatte, ob ich mitfahre, was ich zunächst verneint hatte. Dennoch hat sie mich zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal angerufen und gefragt, ob ich mit ihr zur EM Doppel spielen will. Sie sagte aber auch, dass sie sich nicht rein drängt, wenn Christine Krüll aus Hessen, mit der ich zur Südwestdeutschen und zur Deutschen angetreten war, mit mir spielen will. Darauf hin habe ich Christine kontaktiert und da sie fahren wollte, habe ich mich für eine Teilnahme entschieden und Ilona Frahm für das Doppel abgesagt.
... mit diesem Erfolg im Rücken bereust Du Deine Entscheidung sicherlich nicht?
Nein, natürlich nicht. Dazu muss ich sagen, dass ich, nachdem ich mich entschieden hatte zu fahren, mein Training deutlich intensiviert habe. Ohne zusätzliches Kraft-, Konditions- und Badmintontraining hätte ich das nicht durchgehalten. Da habe ich wirklich mal was anderes gemacht, als zum Beispiel im Hinblick auf die Deutschen Meisterschaften. Das hat sich wirklich ausgezahlt.
Hättest Du im Vorfeld gedacht, dass Du um Edelmetall mitspielst?
Ich hatte keinerlei Ahnung, weder wie die Gegner dort sind, noch wo ich stehe. Der einzige Anhaltspunkt waren die Ergebnisse der Deutschen Spieler meiner Altersklasse, die in der Vergangenheit regelmäßig bei der EM am Start waren, wie z.B. Brigitte und Dieter Prax vom SV Unkel (LV Rheinland). Die waren oftmals Dritte. Ich habe gedacht, wenn ich eine gute Auslosung habe, könnte ich mich von der Spielstärke her in dieser Region bewegen. Aber als ich meine Auslosung im Einzel gesehen habe und wusste, dass ich im Achtelfinale auf eine an Rang drei gesetzte Dänin treffe, habe ich mir keinerlei Chancen eingeräumt.
Eure Rückreisepläne sahen ja auch total anders aus?
Richtig. Wir sind länger geblieben als geplant. Wir mussten vor Ort noch ein anderes Quartier suchen, da unsere Zimmer schon wieder vergeben waren. Angelika Lang aus Mühlhausen und mein Neffe Thomas Schlossarek haben gewirbelt, um uns in Passau, wo wir auf dem Rückweg übernachtet haben, noch eine Unterkunft zu besorgen. Unsere ursprünglichen Pläne waren alle über den Haufen geworfen worden. An der Stelle muss ich vor allem Karsten Großgebauer und seiner Frau Anka meinen großen Dank aussprechen, mit denen ich unterwegs war. Sie haben das alles auf sich genommen haben und sind länger geblieben. Wir mussten jeden Tag 20 Kilometer zur Halle fahren. Wer erfolgreich ist, muss mehr Spiele absolvieren. Karsten war bereits am Dienstag fertig. Ich habe bis Samstag gespielt und musste immer gefahren werden. An einem Tag hatte ich um 9:00 Uhr ein Spiel und um 14:00 Uhr. Karsten hat mich früh in die Halle gebracht, dann wieder ins Quartier und nachmittags wieder zurück in die Halle. Das war schon einmalig.
Hast Du in der Nacht vor den Finalspielen ruhig schlafen können oder hat Dich das Finale gedanklich beschäftigt?
Vor dem Endspiel war es nicht so, dass ich mir Gedanken um das Spiel gemacht habe. Außerdem habe ich mir gesagt, ein Vizeeuropameistertitel ist so genial, so unvorstellbar, was will ich denn mehr. Deshalb war ich eigentlich entspannt.
Stieg in deinem Einzel- und Doppelendspiel ab einem gewissen Punkt die Nervosität, weil Du wusstest, es kann was werden mit Gold?
In der Vergangenheit war es oftmals so, dass ich bei einem Vorsprung schon gedanklich den Sieg vor Augen hatte. Ich weiß nicht warum, aber dieses Mal war das überhaupt nicht der Fall. Ich habe zu keinem Zeitpunkt gedacht, dass könnte jetzt was werden. Ich war ganz ruhig und habe bei den Spielen richtig gehend Spaß gehabt.
Nach dem Gewinn des Doppeltitels hast Du noch einmal deutlich mehr gejubelt, als nach dem Sieg im Einzel, der Dir persönlich auch sehr nahe ging. Liegt das daran, dass du nicht alleine auf dem Spielfeld standest und jemanden hattest, mit dem Du dieses Gefühl unmittelbar teilen konntest?
Als ich den Zeitplan für die Endspiele gesehen habe, war ich ein wenig enttäuscht. Ich hatte gehofft, das Doppel wird vor dem Einzel gespielt. Als ich ins Doppelfinale ging, war ich beunruhigt, dass ich vielleicht im Einzel zu viele Körner gelassen habe. Im Doppel wollte ich unbedingt für Christine Krüll spielen, mein Bestes geben und hatte Angst, dass wir nun vielleicht verlieren, weil mir die nötige Energie fehlt. Christine hat mich dahingehend versucht zu beruhigen, denn wir hatten zu diesem Zeitpunkt schon so viel erreicht. Da war die Freude doppelt groß, dass wir das Spiel herum gerissen haben. Wir hatten ja den ersten Satz verloren.
Welches Spiel war Dein persönliches Highlight?
Highlights sind normalerweise die Endspiele, insbesondere wenn man sie gewinnt. Aber das Spiel wo es richtig gekribbelt hat, war das Achtelfinale im Dameneinzel gegen die Dänin Irene Sterlie, die an drei gesetzt war. Dieses Spiel hat wahrscheinlich auch den gesamten Verlauf beeinflusst. Am meisten gefreut habe ich mich aber über den Sieg im Halbfinale gegen die Schwedin Wengberg. Mir ist erst hinterher bewusst geworden, dass sie Setzplatz 2 hatte.
Hast Du lautstarke Unterstützung von den anderen deutschen Spielern bekommen oder warst Du mehr auf Dich alleine gestellt?
Ich hatte schon die Unterstützung. Am Anfang sicherlich weniger, aber als ich dann Runde um Runde weitergekommen bin, gegen Leute gesiegt habe, die sonst immer gewonnen haben oder bekannte Namen aus dem Turnier geworfen habe, dann steigt natürlich die Unterstützung. Der Beifall kam an Ende auch von Spielern anderer Nationen.
Ihr hattet Schiedsrichter, die streng nach Regelwerk vorgegangen sind, die Turniersprache war Englisch, das war sicherlich in der Form gewöhnungsbedürftig für Dich?
Vieles habe ich so noch nicht erlebt. Zum Beispiel dass die Größe der Schrift und Logos auf der Bekleidung bis ins kleinste Detail vermessen wurde, dass nur neben dem Spielfeld in der Satzpause getrunken werden durfte, dass man sich mit Gegnern und Schiedsrichtern an einem Infopoint versammeln musste, um gemeinsam einzulaufen, dass man seine Utensilien am Spielfeldrand in einer Aufbewahrungsbox verstauen musste oder das öfter mal Aufschläge fehlerhaft waren und man nicht wusste woran es lag. Gut für mich war, dass mein erstes Spiel ein Mixed war. So konnte ich mich auf die Atmosphäre und die Gegebenheiten einstellen, wusste in meinem wichtigen ersten Einzel schon wie der Hase läuft. Dann ging es ganz gut.
Du warst das letzte Mal 2002 international unterwegs, damals bei der EM in Radebeul. Wenn Du auf die Europameisterschaften in Radebeul zurückblickst und auf die europäischen Titelkämpfe 1997 im englischen Gateshead: Was hat sich seitdem verändert, abgesehen von der veränderten Zählweise?
Wenn ich 1997 und 2002 als Vergleich heranziehe, hat die Qualität der Spiele zugenommen. Auch das Drumherum und die Organisation samt den Wettkampfabläufen sind deutlich professioneller geworden. Was vielleicht am markantesten ist, ist die mediale Präsenz und aktuelle Verbreitung der Ergebnisse über die neuen Medien. Fern in der Heimat haben viele Badmintonfreunde in Thüringen und den anderen Bundesländern unsere Spiele live im Internet verfolgen können. Es gab von sechs der neun Spielfelder einen Livestream, zudem einen Livescore, wo die Spielstände fast in Echtzeit verfolgt werden konnten.
Hast Du Dir Deine Spiele schon auf dem youtube-Kanal von Badminton Europe angeschaut, insbesondere die Finalspiele?
Ja, das habe ich. Meine Schwester Brigitte (früher selbst aktive Spielerin – Anm.d.Red.) hat die Spiele auch schon analysiert und kommentiert. Für mich war es interessant, sich die Finalduelle im Nachgang noch einmal anzuschauen. Insbesondere im Doppelendspiel muss ich eingestehen, dass unsere Gegnerinnen immer kurze Aufschläge gemacht haben und wir nie unmittelbar mit einem kurzen Ball geantwortet haben.
Wie schätzt Du das Niveau der Europameisterschaft ein?
Sehr stark. Deutlich über der Deutschen Meisterschaft. Insbesondere in den unteren Altersklassen. Das war schon enorm.
Was bleibt für Dich von dieser Europameisterschaft, vom Erfolg abgesehen?
In jedem Fall die Gemeinschaft, der Zusammenhalt, die Unterstützung. Viele haben ein Stück dazu beigetragen, auch im Vorfeld, dass es für uns ein Erfolgserlebnis gewesen ist. Beim Training bin ich durch die Sportfreunde der SG Feinmess Suhl und des TSV 1911 Themar unterstützt wurden. Die ganze Passaugeschichte auf der Rückreise, wo sich Thomas Schlossarek ins Zeug gelegt hat, denn dafür hätten wir keine Zeit gehabt. Eine große Gemeinschaft hatte Anteil an meinem Erfolg. Daher möchte ich mich auf diesem Weg noch einmal ganz herzlich bei allen bedanken, die mich ein Stück meines Weges begleitet und unterstützt haben. Vor allem bei Angelika Lang, die sich um die Quartiere gekümmert hat, bei Karsten als Fahrer und seiner Frau Anka und bei meiner Freundin Karin, die der Ruhepol während des gesamten Turnieres war.
Was auch bleibt ist die große Herzlichkeit der slowenischen Gastgeber. Trotz des Platzmangels in der Halle, die ganze Organisation und Durchführung war hervorragend.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Das Gespräch führte Wenke Thron(